#79 Tijen Onaran, mit Mut und Sichtbarkeit zum Erfolg – wie gelingt das?

Shownotes

„Wer nicht fragt, hat schon ein ‚Nein‘ kassiert!“ – so lautet das Motto von Tijen Onaran.

Sie ist bekannt als Investorin aus der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“, Unternehmerin und Diversity Flüsterin der CEOs. Auf LinkedIn gehört sie mit knapp 168.000 Followern zu den TopVoices. Sie steht für Gründung und für Female Empowerment, ist Keynote-Speakerin und Autorin.

Beim diesjährigen Kongress Zukunft Handwerk saß sie, gemeinsam mit „Löwen-Kollegin“ Dagmar Wöhrl und Handwerkspräsident Jörg Dittrich, in der Jury beim Wettbewerb „Nachfolge & Neugründung: Der Pitch im Handwerk“.

Im Podcast Handwerk erleben spricht Jan Peter Kruse mit Tijen Onaran über die Bedeutung des Handwerks, ihren persönlichen Lebensweg und über die Begriffe Mut, Sichtbarkeit, Resilienz und Durchhaltevermögen. Außerdem beantwortet Tijen die Fragen von Steinmetzmeisterin Kathrin Post-Isenberg und Handwerker Radio Kollegin Belinda Jaric.

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J. Peter Kruse: Sie bezeichnet sich als Unternehmerin, Investorin, TV -Löwen und Diversity -Flüsterin der CEOs. So steht es zumindest auf ihrem LinkedIn -Profil. Dort gehört sie mit knapp 168 .000 Followern zu den Top -Voices. Sie steht für Gründung und für Female Empowerment, sie ist Keynote -Speakerin und Autorin. Bekannt ist sie als Investorin aus der TV -Sendung Höhle der Löwen und sie war in diesem Jahr in einer ähnlichen Rolle auf dem Kongress Zukunft Handwerk auf der Bühne. Darüber sprechen wir gleich, aber auch darüber, warum und wofür sie Mut machen will und darüber, was es mit ihrem eigenen roten Lippenstift auf sich hat. Und damit herzlich willkommen bei Handwerker Leben, dem Talk für Macher und natürlich auch Macherinnen im Handwerk. Herzlich willkommen, Tijen Honaran.

Tijen: Hallo, ich freue mich sehr. Was für eine schöne Intro.

J. Peter Kruse: Gerne gerne, Tijen, in Anlehnung an die Sendung Höhle der Löwen, auf Vox warst du kürzlich ja im Rahmen jetzt der Zukunft Handwerk, eben gemeinsam mit der Löwen-Kollegin

Tijen: Mhm.

J. Peter Kruse: Dagmar Wöhrl und dem ZDH -Präsidenten Jörg Dittrich Jurymitglied für einen Handwerkswettbewerb. Und dieser Wettbewerb heißt Nachfolge und Neugründung der Pitch im Handwerk. Da hast du das Handwerk erlebt. Wie hast du das Handwerk da in diesem Wettbewerb erlebt?

Tijen: Ich habe das Handwerk ganz wunderbar erlebt, weil ich eine Bandbreite des Handwerks gesehen habe. Also nicht nur das, was man als Außenstehende so im Kopf hat, dass es Werkeln geht, vielleicht klassisches Handwerk wie, ich sage mal, ein Haus bauen oder das Bad reparieren oder irgendwie einen schönen Holztisch hinbekommen, sondern es gab ja auch zwei tolle Frauen, die einen Friseurbetrieb haben in Berlin, die wir ja auch ausgezeichnet haben. Mutter und Tochter. Also auch das ist Handwerk und das war mir ehrlicherweise gar nicht so in dieser Intensität bewusst und es wurde mir nochmal vor Augen geführt, dass eben das Handwerk so viel mehr bietet, als man von außen, als ich von außen überhaupt betrachten kann. Handwerk bedeutet ja, dass es in jeden Lebensbereich geht. Und ich glaube, dass viele Menschen das als so selbstverständlich wahrnehmen. Und wenn es eine Verknappung des Ganzen gibt, ja, also wenn man feststellt, okay, man kriegt zum Beispiel keine Handwerker oder Handwerkerinnen mehr zu Hause, dann wird einem bewusst, wie wichtig doch diese Branche ist. Und mir wurde es eben vor allem eben auch auf der Zukunft Handwerk sehr vor Augen geführt, weil eben tolle Persönlichkeiten daran, die auch ihre Geschäftsideen vorgestellt haben.

J. Peter Kruse: Und es ist auch modernes Handwerk. Auf der Zukunft kommt Handwerk vielleicht gesehen, dass da Roboter standen. Es geht künstliche Intelligenz. Und ihr habt ja auch bei den Gründern ein Team ausgezeichnet, wo es ja auch Online ging, Online -Ausbildung.

Tijen: Ja.

Tijen: Ja. Ja, auch das sind natürlich Elemente, die damit einfließen. Und das ist das Schöne. Und ich glaube, dass viele Menschen das eben gar nicht sehen, dass Elemente wie künstliche Intelligenz, Automatisierung, Digitalisierung natürlich auch in einen klassischen Betrieb reingehen, der ja total haptisch ist und eigentlich total analog ist. Aber dass auch Themen wie, das hatten wir auch besprochen, Talentemarkt, Fachkräfte finden, Talente finden, aber auch halten. Das sind ja alles Themen, die generell in jeder Branche momentan diskutiert werden und so natürlich auch im Handwerk. Und ich fand es eben ganz toll zu sehen, welche Lösungen es da gibt mit diversen Plattformen, die auch zum Beispiel das Thema Mentoring implizieren, das Thema Generationenwechsel, was ja auch für mich in meiner Diversity Beratung eine totale Rolle spielt. Also es war ganz wunderbar zu sehen und ich fand auch die Stimmung ganz toll und wie schnell auch so die Netzwerke sich geknüpft haben vor und hinter den Kulissen. Also es war wirklich ein super inspirierender Tag und es hat Spaß gemacht, dass meine Kollegin von Hülle der Löwen Dagmar Wörl und ich im Grunde das, was wir sonst so machen bei VOX live und in Farbe vor Ort machen konnten.

J. Peter Kruse: Möglicherweise fühlst du dich immer ein bisschen erinnert an deine eigene Zeit, als du gegründet hast. Wenn du andere Gründer siehst, wie war das damals? Warum hast du dich entschieden zu gründen?

Tijen: Ich habe gegründet, weil ich ehrlicherweise jetzt nicht direkt wieder in so einen Angestelltenjob wollte. Also ich würde jetzt super, super gerne sagen, dass ich einfach die total geniale Idee hatte und alles verändern wollte und einen riesen Businessplan und dann habe ich mich hingesetzt und habe mir viele Gedanken gemacht. Ganz so war es nicht. Also es war so, dass ich damals meinen Job gekündigt habe. Ich war damals Leiterin Kommunikation bei einem Verband, der sich einsetzt für die Interessen von E -Commerce Händlern. Also ich war schon so ein bisschen im Bereich online unterwegs und habe damals den Job gekündigt, weil ich einfach gemerkt habe, dass ist nicht mehr das, was mir Spaß macht. Ich komme nicht mehr weiter und hatte auch keine Alternative. Also ich hatte nicht einen Job in petto und konnte dann vom einen ins andere springen, sondern ich hatte nichts. Was ich aber hatte, war, die Fähigkeit Menschen zusammenzubringen und auch die Erkenntnis, dass ich darin besonders gut bin, also klassisches Netzwerken. Und damit habe ich ja dann angefangen, also ich habe erst einen Stammtisch für Frauen ins Leben gerufen in Berlin, ohne zu wissen, dass daraus irgendwann mehrere Unternehmen resultieren. Das heißt, meine Gründung ist ein Stück weit aus der, wenn du so willst, Not herausgeboren, aber auch aus der Prämisse, dass ich das, was ich besonders gut kann zu meiner Profession gemacht habe und so fing das alles an. Das ist jetzt acht Jahre her. Mir kommt es manchmal vor wie 80 Jahre, weil Unternehmen zu führen oder auch selbstständig zu sein, den ich mal den Alterungsprozess ziemlich krass nach vorne schiebt und anschiebt. Aber es ist am Ende das Beste, was ich machen konnte.

J. Peter Kruse: Lass uns doch kurz auf die Zeit davor schauen. Ich habe mit Interesse gehört, dass du früher zu Hause, als du vermutlich mal so Jugendliche warst, Talkshows nachgespielt hast. Du warst Anne Will, deine Eltern haben jeweils politische Seiten eingenommen. Habe ich richtig gehört, oder?

Tijen: Ja.

Tijen: Ja, es ist total irre, weil meine Eltern wahnsinnig viel gearbeitet haben. Sie sind ja irgendwann aus der Türkei eingewandert, aus Deutschland und haben sich ihr Leben aufgebaut und mussten in vielerlei Hinsicht bei Null anfangen tatsächlich und waren dann natürlich, wenn sie nach so einem langen Arbeitstag nach Hause gekommen sind, einfach müde. Ich hatte aber die Idee, mit denen weiter zu diskutieren und die auch zu nerven, mit allem, was mich so den Tag über beschäftigt hat. Ich war schon, das muss man wirklich sagen, ich war schon immer jemand, der Dinge mich einfach hingenommen hat, sondern infrage gestellt hat. Das heißt, ich habe irgendwas am Tag gesehen, was mich genervt hat, ob es jetzt in der Schule war, dass ich gedacht habe, Mensch, warum ist denn das Bildungssystem so wie es ist, ohne zu wissen, dass das ein total politisches Thema ist. Ich habe das dann aber mit nach Hause genommen und gesagt... super gerne Talkshows und jetzt spielen wir das mal da, Papa du bist die SPD, Mama du bist die CDU und habe die so gegeneinander andiskutieren lassen, habe auch so ein Bewertungssystem gemacht, wie viele Punkte dann hatte und so. Und dann sagten meine Eltern irgendwann, das ist total nett und sie lieben es ja, mit mir Zeit zu verbringen und natürlich auch mit meinem Bruder, aber sie fänden es schon ganz schön, wenn ich diese Affinität zur Diskussion dann doch woanders wirken lasse. Und so kam ich dann damals in die Politik und habe mich dann eben sehr engagiert.

J. Peter Kruse: Du hast Politik studiert und du bist dann auch in eine Partei eingetreten.

Tijen: Ja, ich habe aber nicht Politik studiert, in der Politik zu landen, sondern weil ich einfach ein totales politisches Interesse hatte. Ich habe Politikwissenschaft, Geschichte und Öffentliches Recht studiert, weil ich festgestellt habe, dass ich verstehen will, wie politische und historische Zusammenhänge sind. Und dann habe ich gedacht, damals war das so, ich gehöre noch zur Magisterzeit, ich habe dann eben noch ein drittes Fach gebraucht und dann habe ich gedacht, okay, was wirkt besonders schlau? Das ist Jura. und hab dann öffentliches Recht dazu gemacht. War total Horror. Aber ich hab's gemacht und es war schon eine gute Kombination, weil du hast tatsächlich das Juristische, das Politikwissenschaftliche und das Historische. Das heißt, du kannst vieles aus unterschiedlichen Perspektiven ableiten, was super ist. Und mein politisches Engagement war wirklich unabhängig davon. Also ich hab immer schon, ich hab vor meinem Politikstudium mich auch schon engagiert. Also ich bin mit 18 Jahren bei den Jungen Liberalen der Jugendorganisation der FDP eingetreten. und habe da einfach Politik aus der Praxis erlebt. Das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht und ich habe da auch extrem viel gelernt, was ich bis heute in meiner unternehmerischen Tätigkeit oder generell in meiner Selbstständigkeit immer noch liebe.

J. Peter Kruse: Das hat sich auch zur Wahl gestellt damals.

Tijen: Ja, total verrückt. Aber ich hab's gemacht, weil es irgendwie keiner andere machen wollte. Und ich bin auch jemand, der dann einfach immer sagt, so ja gut, irgendwie eine muss es ja machen. Dann mach ich's halt. Und ich wusste auch nicht so richtig, was auf mich zukommt. Also das Schöne, wenn man so jung ist, ich war 20 Jahre alt, als ich kandidiert hab für die Landtagswahl in Karlsruhe oder in Baden -Württemberg in meiner Heimatstadt Karlsruhe. Das Schöne ist, wenn du so jung bist, dass du einen Schutzschirm der Naivität hast. Das heißt, du machst dir nicht so viele Gedanken und sagst erst mal zu und danach, irgendwann Jahre später, denkst du, Mensch, ich war richtig verrückt. Und das heißt, ich habe mir einfach wirklich keine Gedanken gemacht. Ich habe gedacht, das ist eine schöne Chance. Ich kann viel bewirken hoffentlich. Ich kann meine Eltern stolz machen. Wusste aber nicht, was es heißt, auf Politikpanels mit Menschen zu sitzen, die seit Jahrzehnten Politik machen und natürlich ein ganz anderes, sowohl rhetorisches als auch inhaltliches Kaliber sind, als ich es zu dem Zeitpunkt war. Ich habe es aber trotzdem irgendwie geschafft und ich meine, ich sage immer, hey, ich habe 8 ,75 Prozent für die FDP damals geholt. sagen, die FDP wird sich heute freuen. Und das war schon eine sehr eindrucksvolle Erfahrung, die mich tatsächlich bis heute prägt.

J. Peter Kruse: Das hat dich auch gereizt durch das politische Umfeld, so warst du ja dann auch noch im Bundespräsidentialamt.

Tijen: Ja, zu einer sehr heißen Zeit, als Bundespräsident Wolf da war und wir erinnern uns alle, dass er zurückgetreten ist. Das heißt, ich habe auch viel in Bereichen gearbeitet oder zu Zeitpunkten, in denen es eine Krise gab. sowohl Krise von Persönlichkeiten als auch von Systemen. Und das ist ja auch etwas, was uns heutige Zeit prägt. Wenn du dir heute die politische Stimmung in diesem Land anschaust, merkst du ja, dass sie voller Emotionalität ist. Und das war damals auch so, dass natürlich dieser ganze Rücktritt rund Wolf dauerthema war. Also man hat jeden Tag die Zeitung aufgeschlagen, es war jeden Tag, es ging Bobby K. und so weiter. Ich meine, ich war da einfach, weil ich fand das total faszinierend im Bundespräsidialamt zu arbeiten. Ich wollte da unbedingt hin, weil für mich der Bundespräsident so mit der Macht des Wortes so viel bewirken kann und dass ich dann da damals noch so gefühlt als kleines Licht... sein kann und das miterleben kann und mitprägen kann. Das hat so eine unglaubliche Faszination. Und was ich eben in der Zeit gelernt habe, ist, wie stark oder wie wichtig es ist, eine eigene Resilienz aufzubauen und auch eine Unabhängigkeit zu der jeweiligen Position zu haben, weil die kann morgen weg sein. Also du kannst sie morgen verlieren. Du bist dann nicht mehr Bundespräsident oder nicht mehr CEO oder nicht mehr wichtig. Was ist das, was bleibt? Und das hat mich zum Beispiel aus der Zeit habe ich das sehr stark mitgenommen.

J. Peter Kruse: gleich mal bleiben. Resilienz, das war irgendwie glaube ich schon dein Traumjob dort. So habe ich es zumindest mal rausgehört und gelesen, aus dem alles was ich so gelesen habe. Und da gab es jetzt ein Erlebnis vor kurzem, dass du Joachim Rauck den früheren Bundespräsidenten getroffen hast.

Tijen: Ja.

Tijen: Ja, aber das war so irre, sag ich dir. Weil also manchmal gibt es so im Leben Phasen, wo man einfach nur so denkt, ich würde es so gern zurückspulen und der kleinen Tijen sagen, die sich da so einfach reingekniet hat. eine Stelle zu bekommen und das hat dann aufgrund der äußeren Umstände nicht geklappt. Ich würde so gerne jetzt die Version von mir jetzt zeigen. Also der Hintergrund war, du hast gerade gesagt, ich habe für WULF gearbeitet im Präsidialamt. Das war erst ein ganz klassisches Praktikum, dann habe ich eine Projektstelle bekommen und dann sollte ich die Stelle als Referentin für Integration bekommen. Die gab es damals noch nicht. Und dann meinte er ja zurücktreten zu müssen und dann kam Gauck. Und es ist häufig so bei solchen Wechseln, dass natürlich die jeweiligen Persönlichkeiten ihre eigenen Teams dann mit reinbringen und natürlich auch nochmal eine eigene Note hinterlassen. Und Gauck hat halt einfach ein eigenes Team gehabt und hat dann diese Stelle, die für mich eigentlich vorgesehen war, einfach anders besetzt. Und ich habe da null Kräu. Also das ist einfach ein politischer Vorgang, der ist völlig normal. Nur bedeutet es für mich damals, dass ich, ich hatte dann so knapp anderthalb, zwei Jahre dort gearbeitet, dass für mich damals ein totaler Traum zerplatzt ist. So und jetzt spulen wir nach vorne in die heutige Zeit. Ich war letzte Woche in Stuttgart. und war da im Landtag zum Thema 75 Jahre Grundgesetz und sitze mit ihm auf einem Panel im Landtag und ich hatte ja vorhin erzählt, dass ich auch für den Landtag kandidierte. Das hat nicht geklappt. Ich habe mich auf eine Stelle im Landtag beworben als Referentin. Das hat nicht geklappt. Ich habe mich noch mal auf eine Projektstelle beworben im Landtag. Das hatte damals auch nicht geklappt. Und das große Finale war dann, dass ich diese Stelle im Bundespräsidialamt in Aussicht hatte. Das ist wie bei so einem Marathon, wenn du das Ziel schon siehst und kurz vorm Ziel passiert irgendwas.

Tijen: was. Das heißt, ich habe diese Stelle bei Gauck dann auch nicht bekommen oder im Präsidialamt. Und dann saß ich da jetzt mit ihm. Da war noch ein anderer toller Journalist dabei und wir haben über 75 Jahre Grundgesetz, über Demokratie diskutiert in einer Institution, in der ich eigentlich arbeiten wollte, mit einer Person, für die ich auch arbeiten wollte. Und es war für mich total irre, weil ich gedacht habe, eigentlich Gott sei Dank, dass es nicht geklappt hat, dann würde ich heute hier gar nicht sitzen. Und er hat mich dann auch darauf angesprochen. Er meinte dann, Ja, es wurde mir ja zugeflüstert, dass sie schon beim Präsidialamt gearbeitet haben. Da habe ich gesagt, ja, und jetzt muss ich ihnen sagen, sie sind gekommen und ich habe eine Stelle nicht bekommen, die ich eigentlich bekommen sollte. Und dann habe ich gesagt, ich bin ihnen aber total dankbar, weil ohne sie wäre ich jetzt nicht Unternehmerin. Das muss ich ja auch sagen. Also insofern, es fügt sich alles im Leben, aber es war total ein irres Gefühl. Und ich habe es ja auch auf LinkedIn gepostet, darauf hat es sehr angespielt. Ich habe ja so wahnsinnig viel Feedback darauf bekommen, weil die Leute, Mensch, Tijen, du teilst auch mal die Misserfolge. Und für mich ist das eigentlich total normal, weil die Misserfolge meine Erfolge ausmachen. Es sind nicht die Erfolge, die meine Erfolge multiplizieren, sondern die Misserfolge multiplizieren meine Erfolge oder führen überhaupt zu Erfolgen. Und das ist das, was auch das Learning aus dieser Zeit ist.

J. Peter Kruse: Endeffekt nicht aufgeben. Und jetzt hast du über einen anderen Weg sozusagen nicht das gleiche Ziel erreicht, aber wie du sagst, eigentlich noch ein ganz anderes Ziel auf einer anderen Ebene, dass du jetzt ins persönliche Gespräch gekommen bist.

Tijen: Ja.

J. Peter Kruse: Da steigen wir vielleicht auch ein. Wir blicken auch nochmal kurz zurück, nochmal zur Zukunft Handwerk. Da hast du nämlich noch einen Impulsvortrag erhalten. Und bei diesem Impulsvortrag hast du, ja, bist du auch auf genau deinen Wertegang eingegangen und hast da einige Punkte rausgearbeitet, die dir wichtig sind in dieser Zeit. Einen haben wir eigentlich gerade schon besprochen, so ein bisschen die Resilienz. Du hast gesprochen von Netzwerken, von der Sichtbarkeit und hast auch die Perfektion genannt. Warum ist das Netzwerken so wichtig?

Tijen: Mh.

Tijen: Weil der Job morgen weg sein kann, aber das Netzwerk bleibt, wenn es ein gutes Netzwerk ist. Und wenn das Netzwerk nicht nur aus deiner Position heraus resultiert, sondern wenn die Leute mit dir vernetzt sind und deinen Weg begleiten, weil sie dich gut finden. Und das war mir immer wichtig. Erstens hatte ich auch keine andere Option, weil als ich angefangen habe, ich komme nicht aus einer Unternehmerfamilie, ich kann nicht auf ein Habitus zurückgreifen, den meine Eltern mir mitgegeben haben, auf Finanzen schon gar nicht und auf Netzwerk auch nicht. Daraus resultiert ja auch meine Resilienz, weil ich einfach immer weiß, am Ende kann ich mich auf mich selbst verlassen. Ich weiß, wenn alle Stricke reißen, ich mache einfach weiter und ich weiß, welche Fähigkeiten ich habe. Und eben eine Fähigkeit ist auch die Fähigkeit, das Netzwerk aufzubauen. Also ich bin da total angstbefreit. Das war schon immer so. Konnte mich immer irgendwo hinstellen und egal ob ich besonders Lust drauf hat oder nicht, ich bin dann irgendwie mit den Leuten ins Gespräch gekommen, was nicht heißt, dass ich eine super extrovertierte Person bin. Kann man sich gar nicht vorstellen. Ich würde mich immer als introvertierte Extrovertierte bezeichnen. Also ich kann super auf einer Bühne, aber ich lieb's eben auch Energie daraus zu ziehen, dass ich komplett alleine bin. Nur für mich war immer ganz klar, dass dass mein Netzwerk meine Rettung ist. Mein Netzwerk ist mein Aufstieg und es gibt mir die Gelegenheit und die Möglichkeit, das, was ich gut kann, eben auch zu zeigen. Und mit Menschen... nicht in Berührung zu kommen oder mit denen auch an Dingen zu arbeiten, wo man vielleicht per se sagen würde, Mensch, wie kommen die beiden jetzt zusammen oder wer hat die beiden jetzt zusammengebracht? Ich hatte das eben nicht, dass ich da zurückgreifen konnte und deswegen musste ich mir das selber aufbauen. Und daher sage ich immer allen Leuten, vor allem übrigens auch Frauen, wenn es den eigenen beruflichen Weg gibt, es gibt ja so viele Dinge im Leben, wo wir angewiesen sind auf andere, auf Systeme, auf Politik, auf Wirtschaft, auf Organisationen, gerade auch wenn wir über Vielfalt sprechen.

Tijen: Aber es gibt zwei Dinge, die haben wir selbst in der Hand. Der erste Punkt ist die innere Einstellung zu verschiedensten Themen. Also... Klassiker Glas halb vor, halb leer. Also kann ich mich selbst empowern, kann ich mich selbst bestärken, kann ich mir selber Mut machen, bevor andere mich empowern und mir Möglichkeiten geben. Und der zweite Punkt ist eben ein starkes Netzwerk aufzubauen und Menschen aufzuzeigen. was man irgendwie so kann und was man geben kann und wie so eine Netzwerkbeziehung eben auch gestaltet werden kann. Das sind Dinge, die mich bis heute tragen und bei denen ich auch weiß, wenn alle Stricke reißen, ich weiß halt, wen ich anrufen kann. Aber mir ist das ganz wichtig und das ist noch als letzter Punkt. Netzwerken ist für mich nie eine Einbahnstraße gewesen. Also ich bin wirklich ein super loyaler Mensch und wenn Leute meine Hilfe brauchen, dann versuche ich es zumindest. Ich kann ja nicht garantieren, dass es klappt, aber ich versuche es. Das macht eben auch ein starkes Netzwerk aus, dass man nicht nur zu Zeiten des Erfolges da ist, sondern die Qualität eines richtig guten Netzwerkes zeigt sich zu Zeiten des Scheiterns.

J. Peter Kruse: Du hast gerade auch von Habitus gesprochen, dass nicht jeder sozusagen dasselbe mitbekommt von zu Hause, von der materiellen Ausstattung, von der Sprache, von der Ausbildung. Hältst du das für so extrem wichtig, dass das vorhanden ist, eine Karriere zu machen? Oder ist genau das deine Aussage völlig unwichtig? Man kann ganz andere Dinge nach vorne stellen als beispielsweise, dass man eben die gleiche Sprache spricht wie die anderen oder dass man Tennis spielt oder Golf oder was auch immer was dazugehört, dass man bestimmte Dinge tut, die man zu tun hat, zu einer bestimmten Gruppe dazugehören. Dazu zugehören.

Tijen: Also ich sage immer meine soziale Herkunft ist meine Superpower, weil ich halt am Ende weiß, ich habe mir das alles selbst aufgebaut und nochmal wenn alles irgendwie nicht funktioniert oder sich Dinge verändern sollten, dann kann ich diese Superpower wieder ziehen und ich weiß eben, ich habe ein Netzwerk auf das ich zugehen kann, ich kenne meine Fähigkeiten, ich kenne meine Talente. Was aber tatsächlich der Fall ist und es zeigt auch eine aktuelle Studie vom Bundesverband der Deutschen Start -ups in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung ist, dass Unternehmer Eltern zu Unternehmer Kindern führen. Und das heißt, der Anteil derer, die sich selbstständig machen, die dann sozusagen deren Eltern schon selbstständig waren, selbst schon ein Unternehmen gegründet haben, der Anteil der Kinder oder die Nachkommen sozusagen, die ein Unternehmen gründen, ist viel höher als von denen, deren Eltern eben nicht gegründet haben. Und es liegt natürlich auch daran, dass man, wenn man in so einem Umfeld geboren wird, Ich sage nicht, dass es besser ist, aber es geht schneller. Und ich habe als jemand, die in so einem Umfeld geboren wird, zumindest die Auswahlmöglichkeit. Also ich kann entweder mich selbstständig machen, weil ich eben auf ein Netzwerk zugreifen kann von meinen Eltern und auch auf das Wissen. Ich kann ins Unternehmen von meinen Eltern oder ich mache einen kompletten anderen Weg. diese kompletten drei Optionen hatte ich ja nicht in dieser Vielfalt. Also ja, mein eigener Weg, okay, aber ich konnte nicht auf das Netzwerk von meinen Eltern zugreifen und ich kann auch nicht in das Unternehmen von meinen Eltern gehen. So, das heißt, es ist eine Frage von Chancen und es ist eine Frage von Optionen, die ich habe und daraus resultieren auch die Geschwindigkeit.

Tijen: Natürlich wären viele Dinge viel schneller gegangen, wenn mein Vater den CEO von XY gekannt hätte. Ob ich dann am Ende das genauso gut gemacht hätte wie jetzt und mit der Power und Profession und Passion sei mal dahingestellt und die Bürde als Unternehmerkind in die Fußstapfen von den Eltern zu treten, ist wahrlich auch nicht so einfach. Netzt desto trotz geht vieles schneller, das muss man einfach sagen. Und, letzte Punkt, du hast einfach einen sichereren Boden. Also es ist einfach so, dass... Wenn ich dann Dinge höre wie, kann auch meine Eltern haben mir schon drei Wohnungen irgendwie übertragen. Ja, ich zahle halt die Wohnung von meinen Eltern ab. Ja, so mein Vater hat mir 50 Euro zur Unternehmensgründung gegeben und gesagt, mach langsam. Und ich dachte, das ist nett. Aber mit den 50 Euro, ja, dann geh ich vielleicht einmal essen. Ja, so. Also es ist eben was anderes. Und ich muss auch ehrlich sagen, dass das eine Zeitlang mich sehr stark beschäftigt hat, weil. Wenn du das Gefühl hast, du musst echt jeden Mist alleine machen, das ist wirklich zäh. Nichtsdestotrotz ist das super und es macht Spaß und es ist auch echt cool jetzt irgendwie auch meinen Eltern wieder was zurückzugeben. Zu sagen, guck mal, jetzt gehen wir mal ins schönste Restaurant in Karlsruhe und ihr sucht euch aus, was ihr aussuchen wollt. Oder ich zahle die Arztrechnung für euch. Also das ist für mich das aller tollste Privileg.

J. Peter Kruse: Als Elternhaus generell ist ja egal, wie die Ausstattung ist und was man mitbekommt, wichtig ist im Sinne der Werte, die man mitbekommt.

Tijen: Total. Total. Deswegen habe ich irgendwann aufgehört, diese Vergleicher Rites anzustreben und zu sagen, die haben es besser als ich oder ich habe es schlechter. Das bringt ja nichts, weil am Ende habe ich so tolle Werte mitbekommen. Den Wert der Unabhängigkeit, den Wert für mich selber einzustehen, den Wert meine Stimme zu nutzen, etwas zu sagen, wenn mich etwas stört, auszuhalten, dass es Kritik gibt. den Wert der Toleranz und auch ein großes Ja zum Leben. Ich habe zum Beispiel meine Eltern auch nie irgendwie, die hatten es total hart, aber ich habe die nie als Pessimisten oder so erlebt, sondern es war immer so, dass sie bis heute, egal wie hart es ist, meine Mutter hat immer ein Lächeln auf den Lippen und die freut sich und macht den Leuten Komplimente. Also diesen Groll, den vielleicht einige von zu Hause haben, warum auch immer, den habe ich halt so null erlebt und dafür bin ich einfach unfassbar dankbar, weil der mich auch natürlich durch schwere Phasen trägt.

J. Peter Kruse: Eltern spielen schon eine große Rolle. Tijenne, ich habe jetzt hier ein Zitat von Maren Kogge. Ich weiß nicht, ob du sie kennengelernt hast auf der Zukunft Handwerk. Sie ist Kirchenmalermeisterin und sie war die Misshandwerk 2023. Wir haben jetzt hier einen Ausschnitt aus einem Podcast, aus einer Aufnahme aus Folge 29 bei uns. Und da hat sie erzählt, wie sie auf einer Berufsinfomesse ihren Beruf Schülern vorgestellt hat. Das hier ist ihre Erfahrung.

J. Peter Kruse: was gescheites.

Tijen: Ja, das ist wirklich bitter. Also ich will da auch nicht immer Boshaftigkeit unterstellen. Das resultiert ja auch alles aus einer eigenen Erfahrung oder Sozialisation, aber es ist einfach doof. Also es geht ja in alle Richtungen. Für die einen ist... Was geschaltest irgendwie in einer Ausbildung, akademischer Abschluss? Ja, für die anderen ist es eben was anderes. Ich finde, was wir Kindern und Jugendlichen mitgeben sollten, ist, Mach das, was einfach dein Traum ist. Und dann ist das das Gescheite. Dass man irgendwie schauen sollte, dass du Dinge in der Hinterhand hast, wo du sagst, Mensch, wenn alles Stricke reißt, dann kann ich darauf zurückgreifen. Das sind ja aber mehr Fähigkeiten und Talente. Netzwerk und an sich zu glauben als jetzt so ein akademischer Abschluss oder so. Übrigens, die Diskussion hatte ich tatsächlich auch sehr lange mit meinem Vater, wo ich mal kurz drüber nachgedacht habe, eine Ausbildung zu machen. Und mein Vater ist jemand, für den Bildung einfach immer wahnsinnig wichtig war. Jetzt muss man immer sehen, von wo aus kommt jemand. Und mein Vater aus der Türkei eingewandert nach Deutschland. Damals war das auch so, vor vielen Jahren, dass diese Papieraffinität, die wir in Deutschland haben und die Dokumentenaffinität, Ja, so dieses Hauptsache, du hast irgendwie Abschluss in der Hand, dass das noch viel stärker ausgeprägt war, als es heute der Fall ist.

Tijen: Und als ich dann nur kurz mal drüber nachgedacht habe, eine Ausbildung zu machen, dann hat er gesagt, nein, du musst unbedingt einen Uni -Abschluss machen, gerade auch mit deinem Namen, mit deiner Herkunft, damit du ernst genommen wirst in Deutschland als Frau, als Mensch mit Migrationsgeschichte. Das war ihm so wichtig. Ich mache ihm daraus auch heute keinen Vorwurf und ich sage auch nicht, dass das non plus ultra ist. Ich verstehe aber, woher es kommt. Also ich verstehe, warum er so tickt und... Die Person, die das dann gesagt hat, da wird auch irgendwoher so eine Denk haben. Ich kann für mich nur sagen, das möchte ich auch in meiner Arbeit allen mitgeben, gerade auch jungen Menschen, das zu machen, wo man eben einfach richtig gut ist und wo das Herz schlägt. Wenn du deinen Job nicht mit Herz machst, dann wirst du auch darin nicht erfolgreich sein. Das ist einfach so.

J. Peter Kruse: Und wenn du da erfolgreich sein möchtest, sagst du, du musst sichtbar sein. Und da hast du ein ganzes Buch drüber geschrieben. Im Endeffekt geht es Personal Branding. Das hat viele Facetten. Natürlich spielt das Internet eine große Rolle, aber was wäre so das Allerwichtigste, was man tun sollte? Wenn man das Ziel hat, eben erfolgreich sein zu wollen, weil ansonsten nicht jeder will sichtbar sein. Das ist ja auch nicht für jeden unbedingt etwas.

Tijen: Mmh.

Tijen: Naja, das Wichtigste ist, man ist ja sichtbar, egal ob man es will oder nicht, weil es gibt ja die berühmte Fremdwahrnehmung, die Leute über einen haben oder von einem haben. Und jetzt kann ich mir natürlich hinsetzen und sagen, Mensch, ich habe gar keinen Bock auf dieses laute, geplapperte, auf LinkedIn und Co. und ständig irgendwelche Bilder von mir posten. Kann ich auch nachvollziehen, menschlich, weil es mittlerweile ehrlicherweise ja auch so eine Zone zum Teil auch, ich sag's einfach, Absurdität angenommen hat, dass man sich schon so ein bisschen die Frage stellt, ok, worum geht's hier eigentlich? Für mich war und ist immer die größte Prämisse, gewesen, dass ich einfach inhaltlich stark bin. Also wenn ich sichtbarer werde für bestimmte Themen, müssen die Inhalte einfach stimmen. Das muss passen. Also ich muss fit sein. Das heißt, wenn ich sage, okay, ich stehe für Vielfalt, dann muss ich mein Thema in Petto haben. Ich muss stark sein, ich muss mich nachts aufwecken können und ich muss sehr aus dem Stegreif jetzt mal blöd gesagt einfach einen Vortrag halten können. Das ist sozusagen mein Anspruch. Mein Anspruch in puncto Sichtbarkeit ist auch, dass ich eine klare Meinung habe. eine klare Haltung, weil Leute sollen sich schon mit dir irgendwie identifizieren können und dazu braucht es kein Vishwashi, dazu braucht es einfach eine klare Position, führt auch zu einer Angreifbarkeit, aber das ist Teil, teils ganzes muss man aushalten, es ist einfach so, nicht alles muss man aushalten, aber bis zu einem gewissen Grad leider schon. Und der letzte Punkt ist, steht und fällt damit, dass du einen langen Atem brauchst, wie in vielen Dingen. Also guck mal, ich bin jetzt seit acht Jahren damit am Start. Ich würde sagen seit... Ja, so seit zwei Jahren bin ich in dieser Breite jetzt bekannt und es hat wirklich lange gedauert und ich habe nie aufgegeben und ich gebe ja auch nicht auf, ich mache immer weiter und ich erfinde mich auch ein Stück weit immer neu. Vielfalt ist und bleibt ein wichtiges Thema, aber ich bette jetzt auch äußermlich viel politischer auch zu wirtschaftlichen Themen, was mir total wichtig ist. Also du musst auch in puncto Sichtbarkeit die Fähigkeit zur Veränderung und Transformation mitbringen. Das ist aller Schlimmes.

Tijen: wäre, wenn ich in 30 Jahren immer noch wie so eine Schallplatte mitsprungen bin und immer immer wieder dieselben Dinge herauf und runter erzähle. Es braucht eine Kontinuität, aber es braucht auch den Willen zur Veränderung und zur Anpassung. Das ist ja generell wichtig im Arbeitsleben.

J. Peter Kruse: Für dieses Jahr hast du Mut als Hauptthema ausgerufen. Hast auch ein Buch dazu auf den Markt gebracht. Your Own Fucking Hero. Trau dich, weil du es kannst. Und ich habe da das Vorwort gelesen und ich darf das einfach mal zitieren. Da steht, Hi, ich bin zu fördernd, zu direkt, zu auffällig, zu kritisch, zu provokant. Generell einfach zu viel.

Tijen: Ja, ja.

J. Peter Kruse: In jedem Fall wurde ich schon so oft bezeichnet, bis ich irgendwann festgestellt habe, ich bin genau richtig. Und Preview, du bist es auch. Warum hast du das so geschrieben?

Tijen: Ja, ach weil mir das immer wieder gesagt worden ist. Entweder war ich zu leise oder zu laut, zu viel roter Lippenstift oder irgendwie zu bunte Klamotte oder irgendwie Mensch, ach das ist einfach alles zu viel. Also es ist immer, weißt du, wenn jemand über dich sagt, du bist zu viel, meint die Person, dass... oder es ist zu viel, was du machst auch, sozusagen, dann meint die Person einfach, du bist zu viel und du bist eine Überforderung auf zwei Beinen. mag es sein, aber es ist nicht mein Problem. Ich kenne mich ja, würde ich schon sagen, sehr, sehr gut. Ich weiß auch, dass es zu gewissen Themen, gerade im Bereich Vielfalt, aber auch Frauen, eine gewisse Lautstärke braucht, durchzudringen. Das ist einfach so. Ob das jedes Mal sinnvoll ist, sei mal dahingestellt, aber die braucht es. Ich glaube, in dem Moment, wo jemand etwas über dich sagt, kannst du ja immer noch entscheiden, ob du das annimmst oder nicht. Das ist ja diese Unabhängigkeit. für die ich immer entstehe. Und das gebe ich eben gerade auch vielen Frauen mit, weil ich immer wieder merke, dass diese Bewertungsmaschinerie, die dann angemessen wird von außen, dass die Frauen das sich auch zu sehr zu Herzen nehmen. Und das macht sie auch aus, das macht uns auch aus, dass wir da in der Reflektion sehr stark sind, aber es muss ja nicht immer sein.

J. Peter Kruse: Mut zu dem zu stehen, wie man ist.

Tijen: Mut zu sich zu stehen und zwar in allen Facetten. Wenn ich Bock habe auf einen guten Lippenstift, dann mache ich es. Wenn ich Lust habe auf... eine bunte Klamotte, dann mache ich es. Wenn ich Lust habe, in dem Moment einfach meine Meinung zu sagen, kann ich ja immer noch abwägen, in welcher Schärfe und Härte ich das mache. Da muss ich eben aushalten, dass auch was zurückkommt. Aber es ist ja, es ist mein Leben und es sind meine Regeln. Und das ist, finde ich, total wichtig, dass eben für sich immer wieder zu inhalieren.

J. Peter Kruse: Der rote Lippenstift, da müssen wir jetzt nochmal drüber reden, weil das gibt ein eigenes Kapitel in dem Buch über den roten Lippenstift. Du hast auch deinen eigenen roten Lippenstift bekommen, aber du sagst auch, dass er dir eine Superkraft gibt. Woher kommt das?

Tijen: Mhm.

Tijen: Ja, ich wurde halt immer wieder darauf angesprochen. Ehrlicherweise war das für mich gar nicht, dass ich jetzt gesagt habe, Mensch, der rote Lippenstift wird jetzt total zu meiner DNA, sondern es war irgendwann so, dass ich das irgendwie ganz schön fand für mich und ich mag es auch. Und wenn ich weiß, morgens dann... ich den auf und dann bin ich so ready für den Tag. Jeder hat ja so was, so ein Ritual oder so, wie man sich für den Tag einfach bereit macht. Und bei mir ist einfach mein roter Lippenstift, weil ich es mag, weil es mir gefällt, weil es einfach schön ist für mich. Und ich habe aber irgendwann gemerkt, dass das immer wieder zum Thema gemacht worden ist. Also von Frauen zu mir gesagt, Mensch, ich traue mich jetzt auch mal einen roten Lippenstift zu tragen oder ich traue mich jetzt auch mal irgendwie eine pink Hose anzuziehen oder so. Und ich habe mir mal gedacht, wieso trauen? Also es ist doch irgendwie eigentlich soll es doch selbstverständlich sein. Ist es aber nicht und es sieht man ja auch wenn du dir die deutsche Wirtschaft anschaust, es wird besser ehrlicherweise aber je höher du kommst desto weniger Kleidungsvielfalt gibt es und deswegen desto weniger Persönlichkeitenvielfalt gibt es, die sich eben auch in Äußerlichkeiten nicht nur aber auch in Äußerlichkeiten zeigt und da wollte ich eben Zeichen setzen und habe dann gesagt okay dann ist halt Red T -Gen, du hast es erwähnt, das war eine Limited Edition, habe ich dann eben auf den Markt gebracht und das ging dann so ab und das war auch schön zu sehen.

J. Peter Kruse: Du hast ganz viele Themen. Greifst du in dem Buch auf, gut gegen den Strom zu schwimmen oder no toxic people vermut sich von falschen Menschen zu trennen oder wer nicht fragte hat schon ein Nein kassiert, vermut Förderungen zu stellen. Bleiben wir bei dem letzten Punkt nochmal. Hast du ein Beispiel dafür?

Tijen: Also wenn ich immer darauf gewartet hätte, dass Leute mich entdecken oder mir die Möglichkeiten geben, dann würde ich heute noch warten. Es ist bis heute so, wenn ich etwas möchte, dann artikuliere ich das. Also wenn ich... Zum Beispiel ganz am Anfang war das so, als ich angefangen habe, Vorträge zu halten, auf Panels zu sitzen. Ich habe mir halt angeguckt, okay, welche Veranstaltungen sind für mich spannend und habe mich da eben selber vorgeschlagen. Kann man jetzt sagen, okay, wie arrogant kann man eigentlich sein? Ich würde sagen, wie selbstbestimmt kann man eigentlich sein? Weil ich habe mir ausgesucht, in welchen Räumen ich wirken will. Und es ist eine große Form der Selbstbestimmtheit, wie wenn du darauf wartest, dass jemand dich fragt, ob du in den Raum hineinkommen willst und Platz nehmen willst. Nee, ich habe gesagt... Da will ich sein und da will ich stattfinden. Und das habe ich gemacht und es ist bis heute so, dass wenn ich Dinge sehe, wo ich sage, Mensch, da würde ich irgendwie gerne was machen oder da würde ich gerne irgendwie wirken, dann nehme ich es proaktiv in die Hand. Klar, heute hat sich natürlich vieles verändert, weil ich einfach jetzt in einer privilegierten Situation bin, dass viele auf mich zukommen. Nichtsdestotrotz gibt es ja Bereiche, wo ich sage, Mensch, Auch bei meinen Startup Investments. Also klar, ich kriege viele Pitches auf den Tisch, aber ich gehe auch selber auf Startups zu und sage, Mensch, wenn du eine Investoren sucht, hier würde ich gerne dabei sein. Ich würde hier gerne investieren. Das habe ich bei L 'Ori gemacht, bei dem alkoholfreien Gin. Also, und ich glaube, über allem steht eben diese Selbstbestimmtheit. Und die hast du, finde ich, im Leben nur, wenn du dein Leben in die Hand nimmst und nicht, wenn du wartest und guckst, dass der perfekte Moment ist, dass alles perfekt ist, sondern wenn du einfach Und ich wünsche mir auch in unserer derzeitigen Situation in der Wirtschaft, Gesellschaft, aber auch Politik einfach viel mehr Macherinnen und Macher, die einfach ihr Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen.

J. Peter Kruse: Ich denke natürlich sehr positiv trotzdem, meine Frage hat Mut Grenzen?

Tijen: Also sie hat dann Grenzen, wenn du durch deine Sichtbarkeit natürlich so eine Angreifbarkeit generierst, die du nicht mehr in der Hand hast. Es ist schon so, dass als ich die ersten paar Male da über den Bildschirm geflümmert bin bei Höhle der Löwen, habe ich auch Morddrohungen bekommen von Leuten, die einfach Meinten, dass sie mich, weil ich einen exotischen Namen habe oder weil ich den einen oder anderen Spruch bringe, in einer Art und Weise angehen müssen, dass sie mir erzählen, dass ich irgendwie dieses Land verlassen soll. Und ich war mutig, mich da hinzusetzen. Ich war mutig, etwas zu sagen. Ich war mutig, auch gegen meine anderen Kollegen und Kolleginnen mich zu beweisen, wenn es die Start -up -Pitches geht. Und dann hat der Mut schon... Insofern eine Grenze als das du dir dann irgendwann überlegst, lohnt sich das. Also tue ich mir das an. Für mich ist immer klar, ja, es lohnt sich auf jeden Fall, weil das Positive so überwiegt und das Negative überstrahlt. Ich kann aber ehrlicherweise, auch gerade wenn wir jetzt in die Politik schauen, mit den ganzen Angriffen von Politikerinnen und Politikern, nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die sagen, das möchte ich mir einfach nicht antun. Nur ich finde halt, dass... dass die Guten in diesem Land nicht unsichtbar werden dürfen, sondern gerade jetzt gilt es eben sichtbar zu sein. Dazu muss man nicht laut sein, das kann man auch leise machen. Aber das ist mein Antrieb, dass ich sage, ich möchte was verändern in der Wirtschaft und auch in meine mediale Präsenz. Und das kann ich, die Fähigkeit habe ich, das weiß ich und ich bewirke ja auch schon was zum Glück, das ist echt toll. Und daher lasse ich mich dann davon nicht abbringen.

J. Peter Kruse: machen, gründen es auch machen. Dazu braucht man auch Mut. Meine Kollegin, die in der JARITZ, du kennst sie, hat mir auch noch eine Frage mitgegeben.

Tijen: Hehehe.

Tijen: Also mein wichtigster Tipp ist, du brauchst, mal aus der Politik heraus zu sprechen, du brauchst einen guten Kabinettstisch. Also du brauchst starke Persönlichkeiten, die dich begleiten. Da geht es nicht nur dein Team, also auch natürlich ein Team, das mit dir und für dich arbeitet. Es geht vielmehr Ratgeber und Ratgeberinnen. Da sind wir wieder beim Thema Netzwerk. Es geht Leute, die unterschiedlich auf dich drauf schauen und sagen, Mensch, da biegst du gerade falsch ab oder hast du darüber nachgedacht? Also das braucht es. Und das ist eben in der Politik eine starke Es kann nur einen starken Kanzler geben, wenn es starke Minister und Ministerinnen gibt. Wenn alle nicht performen, dann ist das super schwierig. Dann kannst du als Einzelperson noch so viel machen und so ist es wichtig, dass du eben starke Persönlichkeiten dich hast, die dir Mut machen, von denen du was lernen kannst, den du aber auch was rüberbringen kannst. Darauf habe ich immer geachtet, bis heute. Ich habe vier, fünf Leute an meinem Kabinettstisch. Mein Kabinett ist nicht riesig, die ich halt immer wieder anrufen kann und von bei denen ich weiß, die geben mir einfach sehr ehrliches, sehr direktes, auch manchmal sehr schmerzhaftes, aber vor allem immer, immer sehr ehrliches Feedback.

J. Peter Kruse: Kommen wir gleich zu einem ein bisschen persönlichen Teil zum Schluss. Ich habe ein paar Fragen an dich, aber ich habe auch wieder eine externe Frage mitbekommen, die wir als erstes mal gleich einspielen. Die kommt von Kathrin Post -Isenberg, Sprecherin, Beraterin und auch gelernte Steinmetzmeisterin. Sie hat folgende Frage an dich.

Tijen: Ich würde ihr raten, dass ihr nicht so sehr auf andere schauen soll, sondern viel stärker auf sich selbst. Aufhören, sich ständig in Relation zu setzen zu anderen. Dass andere vieles viel besser haben, dass sie schneller vorankommen, dass sie schlauer sind, dass sie schneller sind in allem. sondern ich würde immer sagen, fokussier dich auf dich selbst und du bist gut, wie du bist und deine Zeit wird kommen.

J. Peter Kruse: Vielleicht dazu anknüpfende Frage, die wir immer allen Gästen stellen. Gibt es irgendjemanden, mit dem du gerne mal einen Tag oder eine Woche tauschen würdest? Einfach mal die Rolle einnehmen und einfach mal die Erfahrung machen von demjenigen, egal was es ist, Sport, Kultur, Politik. Gibt es da irgendjemanden, wo du sagst, ja das würde ich gerne mal machen?

Tijen: Ich würde gerne aktuell mal mit Olaf Scholz einfach tauschen wollen, einfach zu verstehen, warum wir in dieser Lage sind, in der wir sind. Und ich habe ihn ja auch häufiger jetzt kritisiert und einfach auch wieder vielleicht auch in die Selbstreflektion zu gehen und zu verstehen, in welche Zwänge er da auch irgendwie eingebunden ist. Ich kann mir das natürlich alles vorstellen. Aber ich würde es wirklich gerne einfach mal eine Woche erleben, was da so hinter den Kulissen aktuell da abläuft. Und dann wäre ich vielleicht auch in vielen in meiner Bewertung etwas entspannter. Nicht weniger kritisch, aber vielleicht entspannter.

J. Peter Kruse: Dann haben wir auch eine Frage, die wir allen Gästen stellen. Was ist für dich Handwerk?

Tijen: Handwerks für mich leben, weil es in jeden Lebensbereich geht, weil wir ohne das Handwerk... gar nicht unser Leben bestreiten könnten. Das fängt ja mit Dingen an, die unser tägliches Leben begleiten. Ob es ist, dass ich unter die Dusche gehe, ob es ist, dass ich den Herd anmache, ob es ist, dass ich mir meinen Traum, meine eigenen Wohnung oder meines Hauses erfülle, ob es ist, dass ich zur Friseurin gehe. Ja, also es sind so verschiedenste Dinge und daher ist Handwerk die Basis für unser Leben und ich finde, das können wir alle noch viel stärker wertschätzen.

J. Peter Kruse: Danke. Jetzt kommen noch zum Schluss vier einzelne Begriffe mit der Bitte, diese ganz einfache, kompakte Begriffe auch ganz kurz und kompakt darauf zu antworten. Der erste Begriff ist, wenn man darauf überhaupt ganz kurz und kompakt antworten kann, assist Heimat für dich.

Tijen: Heimat ist für mich Urvertrauen und der Glaube an mich selbst.

J. Peter Kruse: Hast du ein Vorbild?

Tijen: Ja, meine Eltern, die mich oft zu Weißglut gebracht haben, aber die ich total liebe.

J. Peter Kruse: Was ist Glück für dich?

Tijen: Glück ist für mich Unabhängigkeit, unabhängig von der Meinung von anderen Menschen zu sein und zu wissen, dass ich so eine innere Stärke habe, dass alles, was auf mich zukommt, ich irgendwie überstehen kann.

J. Peter Kruse: Die letzte Frage, hast du irgendein Motto?

Tijen: Wer nicht fragt, hat schon einen Nein kassiert.

J. Peter Kruse: Ich nehme auch noch mit aus dem, was du gesagt hast, man soll es einfach machen und die Dinge einfach in die Hand nehmen. Ich glaube, das ist etwas, was auch eine starke Verbindung zum Handwerk ausmacht. Handwerker sind ja auch so, dass sie Macher sind.

Tijen: Total sind sie auch und deswegen ist es toll, dass es sie gibt und dass es diese Branche gibt. Ich finde diese Branche braucht eben noch viel mehr Aufmerksamkeit und ich freue mich, dass ich ein bisschen was dazu beitragen kann, aber vor allem eben auch die Persönlichkeiten zu beobachten, die diese Branche so stark machen.

J. Peter Kruse: Vielen, vielen Dank für das Gespräch. Vielen, vielen Dank, dass du deine Gedanken mit uns geteilt hast und alles Gute. Danke dir.

Tijen: Danke dir.

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